10. September 2001

TIBET INFORMATION NETWORK

City Cloisters, 188-196 Old Street, London EC1V9FR,
ph: +44(0)207 814 9011, fax +44(0)207 814 9015, e-mail: tin@tibetinfo.net, www. tibetinfo.net

Sicherheitsvorkehrungen in Lhasa während des Besuches von Hu Jintao

TIN erhielt weitere Informationen über das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen während des Besuches des chinesischen Vizepräsidenten Hu Jintao vom 17 - 23. Juli in Tibet. Photos, die Antikrawall-Einheiten am Jokhang Platz und offizielle Festlichkeiten zum 50. Jahrestag der "friedlichen Befreiung" Tibets zeigen, können auf der website von TIN unter www.tibetinfo.net/tibet-file/policies.htm. angeschaut werden. Einem zuverlässigen TIN zugegangenen Bericht zufolge seien während der gespannten Wochen vor dem Besuch des Vizepräsidenten einige Leute festgenommen worden, darunter auch ein Mitarbeiter eines Vorbereitungskomitees für die Jahrestagfeiern. Der Zweck der Sicherheitsoperationen auf den Straßen Lhasas war wohl, die Tibeter einzuschüchtern und sie von Protestaktionen abzuhalten. Vizepräsident Hu Jintao hat enge Verbindungen zu Tibet: Als ehemaliger Parteisekretär der Autonomen Region Tibet führte er die Oberaufsicht über die Verhängung des Kriegsrechtes im März 1989 im Anschluß an eine Reihe von Unabhängigkeitsdemonstrationen in der tibetischen Hauptstadt.

Mehreren tausend Tibetern wurde befohlen, sich zu der Hauptzeremonie am 19. Juli, bei der Hu Jintao zugegen war und die auf dem von bewaffnetem Sicherheitspersonal umstellten Platz vor dem Potala Platz stattfand, einzufinden, während andere, auch Kinder, Schüler und Mönche, diverse Abordnungen zum Empfang der offiziellen Besucher in Lhasa bilden mußten. Einige Tibeter, welche die Hauptzeremonie entweder im Fernsehen oder auf dem Platz selbst sahen, äußerten einem westlichen Touristen gegenüber, die während der Feier von zentralen und regionalen Politikern gehaltenen Reden seien voller Angriffe auf den Dalai Lama gewesen, statt die Rolle Chinas in der Entwicklung Tibets im Verlauf der letzten 50 Jahre zu beschreiben, wie viele Zuhörer erwartet hatten.

Bereits mehrere Wochen vor Hu Jintaos Besuch wurden die Sicherheitsvorkehrungen beträchtlich verschärft. In der Woche direkt vor dem Besuch und ein paar Tage nach Hu Jintaos Abreise sahen die Bürger von Lhasa, wie sich jeden Abend dasselbe Spektakel abwickelte: Vier LKWs fuhren vor dem Jokhang vor, von denen zwei mit Wasserwerfern bestückt waren und die anderen zwei Antikrawall-Kommandos trugen. Sicherheitskräfte in Tarnuniformen mit Helmen und Schutzschildern stiegen heraus, rannten über den Platz vor dem Jokhang und sammelten sich dann wieder vor der Polizeistation (www.tibetinfo.net/reports/trlead/hu-jintao-2.htm). Einer der Touristen aus dem Westen meinte TIN gegenüber: "Es schien, mit diesen Übungen sollte die lokale Bevölkerung eingeschüchtert werden". Westliche Besucher berichten, auf den Dächern der Gebäude am Barkhor, dem traditionellen tibetischen Wohnviertel Lhasas, seien deutlich Scharfschützen sichtbar gewesen. In den Wochen vor dem Besuch kamen mehrmals in den frühen Morgenstunden Sicherheitskräfte in die Touristenhotels und überprüften die Identität und Dokumente der Gäste. Den Einwohnern von Lhasa wurden rote Fahnen und andere Gedenkflaggen ausgegeben mit der Anweisung, diese außen an ihren Häusern und Läden aufzuhängen. Einigen wurde auch mit Geldstrafen gedroht, falls sie dies zu tun versäumten.

Am Abend der Ankunft Hu Jintaos, am 17. Juli, waren einige westliche Touristen dabei, als die Polizei den Potala Platz von Besuchern räumte. Ein Tourist erzählte: "Diese Aufgabe wurde hauptsächlich von tibetischen Polizisten in neuen schwarzen Uniformen erledigt. Sie schüchterten die auf dem Platz stehenden Tibeter ein und gaben einigen sogar Fußtritte, aber zu den Touristen waren sie recht höflich. Sie trieben die Leute mehrere hundert Meter vom Eingang des Platzes weg und formten dann einen Polizeikordon aus Leuten in Zivil mit gelben Armbinden. Jeder Abschnitt der umgebenden Straßen wurde erfaßt. Nur Leute mit Passierscheinen wurden auf den Platz gelassen". Unter der Menge waren auch Mitarbeiter der "Nachbarschaftskomitees", um die Polizei zu unterstützen.

Die Anwesenheit bei der Hauptzeremonie wurde streng kontrolliert. Mehrere tausend Tibeter wurden von ihren Arbeitseinheiten ausgewählt, um den Feiern auf dem Platz am 19. Juli beizuwohnen. Sie mußten sich schon um 5 Uhr früh einfinden und ihre Sitze einnehmen. Aus Sicherheitsgründen durften sie überhaupt nichts mitnehmen, nicht einmal einen Schirm, um sich vor der Sonne zu schützen, oder Wasserflaschen oder etwas zu essen. Einwohner, welche die Feiern nicht besuchen mußten, wurden von den Nachbarschaftskomitees und Offiziellen angewiesen, das Geschehen am Fernseher zu verfolgen, statt auf die Straßen hinauszugehen. Trotz dieser Warnung strömten Tausende von Leuten vom frühen Morgen an in der Nähe des Potala Platzes zusammen. Nachdem die Würdenträger den Platz um Mittag verließen, beobachteten die Zuschauer den Abgang des Militärs und Sicherheitspersonals. Einem Augenzeugen zufolge hätte die Parade aus rund 2.000 Soldaten, mit Maschinenpistolen bewaffneten Kontingenten der Militärpolizei, 5 oder 6 LKWs mit Wasserwerfern, LKWs mit Maschinengewehrposten, einem weiteren LKW, der Stracheldrahtrollen zog, und großen Antikrawall-Einheiten in Kampfausrüstung bestanden (www.tibetinfo.net/reports/trlead/hu-jintao-9.htm). Einigen Touristen, die an diesem Tag Photos machten, wurden die Filme von der Polizei aus ihren Kameras gerissen.

Zuverlässigen Berichten zufolge wurden einige Tibeter in höheren Positionen sowie Sicherheitsbeamte belohnt, die für die Kooperation der Bevölkerung bei den Gedenkfeiern gesorgt hatten. Einer Quelle zufolge erhielten die Hauptverwalter jedes Klosters in Lhasa einen ordentlichen Bonus und einen freien Tag nach den Feiern. Einige Offizielle in örtlichen Polizeistationen hätten ebenfalls Bonusse und manche gar Mobiltelefone bekommen.

Photos der Militärparade und der Sicherheitsmaßnahmen in Lhasa während des Besuchs des Vizepräsidenten vom 17. - 23. Juli können unter www.tibetinfo.net/tibet-file/policies.htm eingesehen werden.

nach oben